2013 besuchte ich die Stadt Lübeck, übrigens zum ersten Mal. Dort stiess ich auf einen Ausstellungskatalog mit dem Titel "WortBild Künstler -von Goethe bis Ringelnatz und Herta Müller". Beim Durchblättern entdeckte ich die Klecksereien von einem gewissen Justinus Kerner, die mich sofort in ihren Bann zogen und es bis heute tun.

Zuerst fasste ich diese Art von Beschäftigung als eine Art Vorspiel auf, eine Übung am Morgen um in Gang zu kommen ohne großartigen Anspruch. Doch recht bald begriff ich welches Potential darin lag und ich beschloss das Klecksen methodisch für meine Zwecke zu erschließen.

Ich experimentiere in zwei Richtungen. Auf der einen Seite will ich ein Motiv erschaffen, daß so gut wie ohne Nachbesserungen auskommt. Der Faltprozess mit unterschiedlicher Druckausübung allein soll das Bild herbei zaubern. Auf der anderen Seite experimentiere ich damit, so oft wie möglich zu drucken. Manchmal entstehen regelrechte Schattenbilder. Die Falte verschwindet, Kontraste zwischen unterschiedlich intensiven Abdrücken entstehen und plötzlich erahne ich eine Figur, die mich berührt, ein Gesicht, dass mich an Jemanden erinnert. Räumlichkeiten entstehen. Ein weiterer Schritt ist mit Farbe zu arbeiten, ich beziehe den Hintergrund mit ein. Hauptsächlich halte ich das Motiv in Sepia und schwarzen Tönen. Höchstens ein Kadmiumrot, ein Ocker oder ein Coboltblau kommt hinzu.

Die Formate sind bis jetzt in bescheidener Größe. Gerne arbeite ich mit quadratischen Papier und am liebsten auf Steinpapier. 20x20cm, 30x30cm, A4 und A3 Formate sind Bestandteil meiner aktuellen Ausstellung "Paperworks" im Kirsten Kjærs Museum.

Und was war so besonders an diesem Justinus Kerner, der als Arzt und Dichter arbeitete? Er muß eine schillernde Persönlichkeit gewesen sein. Robert Schuhmann hat einen Liedzyklusvon ihm vertont. Selbst sammelte er fleißig Kunst und verstaute diese Sammlung im Geisterturm. Als Arzt hat er erstmals die Krankheit Botulismus beschrieben. Sogar einen Frauenverein gründete dieser Herr. Wahrscheinlich unter Einfluss der Seherin Frederike Hauffe, die er in den letzten zwei Jahren ihres 27jährigen Lebens ärztlich betreute. Der Frauenverein Weinsberg existiert bis heute und seine im "Hadesbuch" gesammelten Klecksographien sind im Marbacher Schiller-Nationalmuseum aufgehoben.

 

 

 

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